Am Freitag, den 31. Mai endete die zweite Ausgabe des Internationalen Lied-Wettbewerbes “Bolko von Hochberg” im kleinen Saal der Stadthalle Görlitz mit der feierlichen Preisverleihung. Es wurden Auszeichnungen an drei internationale Künstlerpaare (Sänger und Pianisten) sowie mehrere Sonderpreise an weitere Finalisten und Halbfinalisten vergeben. Die Idee eines Gesangwettbewerbs, der dem klassischen Lied gewidmet ist, stammt von Eleni Ioannidou, einer Opernsängerin, die seit 9 Jahren in Görlitz lebt und die zusammen mit ihrem Mann, dem Tontechniker Heinz Müller, und einigen anderen Freunden der klassischen Musik sowie der polnisch-deutschen Beziehungen, 2017 den Verein Ars Augusta e.V. zur Förderung von Kultur und Völkerverständigung in der Augustastrasse 6 in Görlitz ins Leben gerufen hat. Die Projekte des Vereins widmen sich der Erforschung und Wiederentdeckung des regionalen Kulturerbes, das oft zwischen Polen und Deutschland geteilt wird. Bolko von Hochberg, der Komponist und Leiter der ehemaligen Schlesischen Musikfeste, der mit der Stadthalle ein beeindruckendes Denkmal errichtet hat, welches heute an der Brücke steht, die Polen und Deutschland verbindet, hat damit ein solches Kulturerbe geschaffen.
Alle zwei Jahre treffen sich rund um Fronleichnam Hunderte Musiker aus aller Welt in Görlitz und Zgorzelec und präsentieren ein Programm mit Liedern aus einem von der Vereinsvorsitzenden ausgewählten Repertoire. In diesem Jahr lautete das Thema des Wettbewerbs „Orpheus: Geist der Renaissance“. Die Sänger und Pianisten präsentierten ein reichhaltiges Programm in mehreren Sprachen, gewidmet der Poesie der europäischen Renaissance: von Petrarca, Shakespeare bis Lope de Vega oder Walter von der Vogelweide. Neben Liedern von Franz Schubert, Robert Schumann und Hugo Wolf gab es Lieder in italienischer Sprache von Franz Liszt, Rossini und Beethoven, in Englisch (nach Shakespeare u.a.) und in Französisch. Über 60 Künstlerduos aus vielen Ländern stellten sich dieser Herausforderung, sodass am 25. Mai schließlich 44 Sänger und 44 Pianisten nach Görlitz kamen und sich einer internationalen Jury stellten: Die ebenfalls von Eleni Ioannidou ausgewählte Jury verband Schlesien mit Sachsen und der Welt: Prof. Alexander Schmalcz und Britta Schwarz aus Dresden, Prof. Ewa Biegas und Bartosz Zurakowski aus Kattowitz und Oppeln; schließlich vervollständigten der Leiter des Schubertiada-Festivals in Barcelona Victor Medem und der Musikwissenschaftler Alexandros Charkiolakis aus Athen die Jury. Eleni Ioannidou ergänzte das Gremium als siebentes Mitglied.
Die Koryphäen auf dem Gebiet der Liedkunst äußerten ihre Bewunderung für das hohe Niveau des Wettbewerbs, die Schönheit der Stadthalle und der Städte Görlitz und Zgorzelec. Nach drei Tagen der ersten Runde im Miejski Dom Kultury, dem Halbfinale am Donnerstag, dem 30. Mai, und dem Finale am 31. Mai 2024 im kleinen Saal der Stadthalle einigten sich die Juroren auf drei Preise. Sie verliehen sie an drei Sopranistinnen und ihre Begleiterinnen am Flügel, die von Beginn an durch ihre hohen interpretatorischen Fähigkeiten und ihr erstaunliches künstlerisches Niveau beeindruckten.
Der erste Preis wurde einstimmig an die englische Sopranistin Sarah Gilford vergeben, die gemeinsam mit der polnischen Pianistin Ewa Danilewska im Finale ein sehr gut vorbereitetes Programm präsentierte und sich sogar an seltene Lieder wagte, wie etwa aus dem 2022 erschienenen Liederzyklus des israelischen Komponisten Eynard Pessen „Fünf Lieder nach Jan Kochanowski“ oder an das Lied „Frühlingswinde“ der Komponistin Anna Teichmüller aus Schreiberhau, die zu dem Kreis um die Gebrüder Hauptmann zählt. Die beiden Künstlerinnen lernten sich in München kennen, als Teilnehmerinnen des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper. Seitdem konzertieren sie überall in Europa: es ist dies der erste Preis, den sie als Duo gewinnen.
Mit nur einen halben Punkt Unterschied erhielt die australische Sopranistin Jessica Harper den zweiten Preis, die mit der griechischen Pianistin Anna Alvizou aus Antwerpen nach Görlitz gereist war. Jessica Harpers große, warme Opernstimme erklang nuancenreich in den Liedern von Strauss, Schubert und Liszt. Das theatralische Temperament der Sängerin, perfekt unterstützt von der ebenso temperamentvollen Griechin am Klavier, resultierte in tiefgründigen Interpretationen der Lieder.
Eine weitere Sopranistin, die ebenfalls eindrucksvolle Interpretationen vortrug, erhielt den dritten Preis: Die Griechin Theano Papadaki, begleitet vom belgischen Pianisten Thomas Eeckhout, kam aus London (wo sie an der "Guildhall School of Music and Drama" ihr Studium absolvieren) nach Görlitz. Beide Künstler beeindruckten mit der feinfühligen Interpretation eines schwierigen Repertoires. Theano Papadaki war von den ersten angemeldeten Künstlerinnen. Das Thema des Wettbewerbes "Renaissance" hat sie sofort interessiert. Sie ist Mitglied des berühmten Monteverdi Choir aus London.
Den Preis für den besten Liedbegleiter gewann der schottische Pianist Daniel Silcock, Begleiter der Sopranistin Alexandra Beason. Er beeindruckte durch sein einfühlsames Spiel: Er verstand es, dem Bechstein-Flügel die leisesten Töne zu entlocken, das war große Klavierkunst.
Der Publikumspreis ging an einen jungen Bassisten, der im Halbfinale sang, es aber nicht ins Finale schaffte. Dies beweist, dass die Meinung der Fachjury oft von der Einschätzung des Publikums variiert. Der junge deutsche Bassist mit polnischen Wurzeln Jan-Henrik Witkowski, begleitet von der bulgarischen Pianistin Doriana Tchakarova, beeindruckte das Publikum mit seiner nuancierten Stimme und Ausdruck, der in der Lage war, Herzen zu berühren. Der Publikumspreis bedeutet für die beiden Künstler eine Einladung, 2025 noch einmal in Görlitz aufzutreten.
Aber auch die anderen Finalisten waren so beeindruckend gut, dass die polnische Stiftung „Belle Voci“ um Bartosz Zurakowski und der Verein Ars Augusta um Eleni Ioannidou weitere Sonderpreise in Form von Einladungen zu Konzerten in unserer Stadt und Region im Jahr 2025 vergaben. Den Sonderpreis „Orpheus“ verlieh Ars Augusta an die blinde Sopranistin Jana Margová aus der Slowakei. Mit unglaublicher Reife und Bühnenpräsenz, brillanter Stimme und starker Ausdruckskraft bewegte die charismatische Künstlerin, begleitet von ihrem Lehrer der Musikschule Kattowitz, Prof. Grzegorz Biegas, das Publikum enorm. Der Tenor Jaewon Jung, der mit seiner enormen Stimme ein so schwieriges Liedrepertoire mit viel Seele und Intelligenz vortrug, gewann den zweiten Orpheus-Sonderpreis des Vereins. Ihn begleitete die Pianistin Eunshil Oh, die ebenso seine Begleiterin wie Ehefrau ist. Das Paar reiste mit ihren dreijährigen Sohn nach Görlitz, der alle Vorbereitungen des talentierten Vaters miterlebte. Diese Musiker werden vom Verein im nächsten Jahr zu Konzerten eingeladen.
Ganz im Sinne des Mäzens Bolko von Hochberg konnte der Verein Ars Augusta auch dieses Mal wieder mehrere junge Musiker fördern. Als Sponsoren des Wettbewerbs ermöglichten dies: die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, das Sächsische Staatsministerium des Innern, die Stadt Görlitz, das Kaufhaus Görlitz, die Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien, das Hotel Via Regia in Görlitz, das den Juroren Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellte, und die Klaviermanufaktur Bechstein in Seifhennersdorf.
Der große Erfolg des Wettbewerbs wäre ohne die freundschaftliche Partnerschaft und Hilfe sowie das ehrenamtliche Engagement mehrerer Görlitzer nicht möglich gewesen. Die Musikschule “Johann Adam Hiller” stellte den Musikern ihre Räume zum Üben zur Verfügung, ebenso der Kultursalon Ars Augusta, die Galerie Alena sowie die Jugendherbergen Peregrinus und Wartburg. Freunde des Vereins wie Klaus-Dieter Mende, Susanne Spahn, Gabriele und Richard Albrecht, Alena Becková, Gabriele Schönfelder, Doris Engel, Hubertus Becker sowie die junge Kolumbianerin Angie Paola Ajiaco und die polnische Gesangsstudentin Alicja Bany, sie alle bildeten ein festes Team, dessen Zusammenarbeit die Veranstaltung zum Erfolg führte. Die Tonaufnahmen von Heinz Müller, die Filme des in Zgorzelec lebenden Filmemachers Lukasz Chwalko und des jungen Görlitzer Regisseurs Fabian Menzel vom gesamten Wettbewerb werden ab Juni auf der Wettbewerbswebsite und ihrem YouTube-Kanal verfügbar sein. Für das Projekt der Bildung eines Teams für die Organisation der nächsten Edition, gewann der Verein Ars Augusta einen Preis im 2. Preiswettbewerb für Vereine der östlichen Oberlausitz.
Die dritte Auflage des Liederwettbewerbs mit dem Thema „Geistliches Lied und Volkslied“ findet 2026, ebenfalls rund um Fronleichnam, statt. Merkt euch die Termine vor: vom 30. Mai bis 4. Juni 2026, ebenfalls in Zgorzelec und Görlitz. Mehr Infos werden bald auf dieser Website bekannt.
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